Wochenende für Wochenende werden an vielen Orten im Evangelischen Kirchenkreis Siegen-Wittgenstein gute Predigten gehalten, aber dass es dafür Applaus gibt, ist eher ungewohnt. Passt landläufig vielleicht weder zum Temperament noch zur Frömmigkeit im südlichen Westfalen. Superintendent Peter-Thomas Stuberg erhielt am Samstagmorgen jedoch reichlich Beifall in der Haardter Kirche – und der war laut, immerhin 700 Besucherinnen und Besucher hatten sich hier eingefunden, um beim Gottesdienst im Rahmen der Abiturfeier des Evangelischen Gymnasiums Weidenau (evau) dabei zu sein.
„Neue Wege wagen“ stand überm Gottesdienst. Passend dazu hatte Peter-Thomas Stuberg nicht nur einen Rucksack dabei, sondern auch das richtige Bibelwort, in dem Gott Abraham losschickt, Verwandtschaft und Heimat zu verlassen. Während der Leitende Theologe des Kirchenkreises unter anderem Dinkel-Spaghetti, ein Handy und einen Teddybären in den Rucksack packte, ermutigte er die jungen Leute: „Lasst Euch von Gott zeigen, wo er Euch hinschickt.“ Jeder und jedem Einzelnen versicherte Peter-Thomas Stuberg: „Geh‘ davon aus, dass er Deinen Weg kennt.“ Eingebunden war diese Predigt in einen Gottesdienst, in dem der Abitur-Jahrgang nicht nur zuhörte, sondern aktiv mitmachte: Instrumentalisten und Sängerinnen sorgten für Musik, ein Quartett dachte nach, wie sie selbst ein Segen für die Welt sein können, Psalm und Gebete wurden von Abiturientinnen und Lehrerinnen gemeinsam vorgetragen. Mit dem Segen wurden Besucherinnen und Besucher dann in eine kleine Pause entlassen, nach einer Viertelstunde begann der eigentliche Festakt: zunächst mit diversen Grußworten, dann mit der Vergabe der 105 Abitur-Zeugnisse, zwischendurch mit Musik von Band und Orchester der Schule.
Als Schulleiterin erinnerte sich Beate Brinkmann sehr genau an die evau-Einschulung des aktuellen Abitur-Jahrgangs im Jahre 2015. Detailliert ging sie darauf ein, wie massiv sich Schule seitdem in der krisen-intensiven Zeit verändert hat und wie nach Corona inzwischen sogar die Umarmungen wieder auf den Schulhof zurückgekehrt sind: Die Fünftklässlerinnen und Fünftklässler von damals seien zu einer echten Gemeinschaft zusammengewachsen. Auch Peter-Thomas Stuberg war damals beim Begrüßungs-Gottesdienst, der Kirchenkreis unterstütze es sehr gern, wenn hier Kinder zu Persönlichkeiten heranreiften. Dabei dankte er ausdrücklich auch den Lehrerinnen und Lehrern des evau. Schon zuvor hatte er der Abiturentia vorgeschlagen, dass sie vielleicht ja über ein Studium der evangelischen Theologie nachdenken könnten. Die stellvertretende Landrätin Ulla Belz ergänzte, man könne sonst auch ein Lehramts-Studium anpeilen. Mit dem stellvertretenden Siegener Bürgermeister Jens Kamieth waren sich die beiden einig, dass es gut sei, für Ausbildung oder Studium erstmal woanders hinzugehen, aber auch danach seien die jungen Leute im Siegerland immer willkommen.
Dr. Philipp Kneppe erinnerte an besondere Aktionen wie das Rent-an-Abiturient-Projekt und das Fußball-Spiel gegen das benachbarte Fürst-Johann-Moritz-Gymnasium, außerdem lobte der Vorsitzende der Schulpflegschaft das generell große Engagement in diesem Jahrgang. Schülersprecher Finn Koblenzer als einer dieser Engagierten nutzte sein Grußwort, um den Mitschülerinnen und Mitschülern zu danken, die freiwillig in der Schülervertretung (SV) mitarbeiten, den Eltern, die das unterstützen, den Lehrerinnen und Lehrern, mit denen man auch mal ein privates Wort reden könne. Der detailliertere Dank von Schülersprecherin Charlotta Flender an die übrigen SV-Mitarbeitenden machte deutlich, dass es in diesem Gremium mit seinen vielen Teams nach dem Abitur-Abschied nun einen deutlichen Generationswechsel geben wird. Jula Hochhard dankte im Namen des Abitur-Jahrgangs allen Lehrerinnen und Lehrern, die während der Schulzeit an der Seite der jungen Leute gewesen waren. Das letzte Wort gehörte Carina Baron, Hartwig Piltz und Burkhard Schäfer, die augenzwinkernd und ehrlich auf die Zeit blickten, in der sie die Jugendlichen zum Abitur begleitet hatten, und denen sie am Ende attestierten, dass sie sich in diesen komplizierten Zeiten ihre Reifezeugnisse redlich verdient hatten. Und nachdem diese im Chorraum der Haardter Kirche ausgeteilt worden waren, stand dem Sekt-Empfang im benachbarten Gemeindezentrum nichts mehr im Wege.
Am Abend wurde dann in der Siegerlandhalle ausgelassen der Abi-Ball gefeiert. Allen Abiturientinnen und Abiturienten wünschen wir alles Gute für ihren weiteren Lebensweg!