Als mich die Schulleitung Anfang der Woche gebeten hat, einen Erfahrungsbericht zum digitalen Lernen zu schreiben, habe ich natürlich zugesagt, um im nächsten Moment aber zu denken: Bist du überhaupt die richtige Person dafür?
Meine Beziehung zu digitaler Technik kann durchaus als „angespannt“ bezeichnet werden. Da mir jegliche Faszination für Technik im Allgemeinen und digitale Technik im Besonderen abgeht, tue ich mich üblicherweise sehr schwer, mich auf neue Dinge in diesem Bereich einzulassen. Als ich vor einigen Jahren mein erstes Smartphone bestellt hatte, blieb dieses ein halbes Jahr unangetastet in der Originalverpackung – ich hatte schlichtweg keine Lust, mich mit dem Gerät auseinanderzusetzen.
Das heißt nicht, dass ich die Digitalisierung aus irgendwelchen Gründen ablehne – mein Smartphone ist mir mittlerweile zu einem (viel zu) treuen Wegbegleiter geworden. Ich empfinde nur immer eine gewisse Hemmschwelle technischen Veränderungen gegenüber, die einerseits aus mangelnder Begeisterung, andererseits aus der Erfahrung resultiert, dass zu Beginn Probleme auftauchen werden, die meine Geduld über die Maße strapazieren.
Ich schicke dies alles vorweg, um meine sehr persönlichen Erfahrungen mit digitalem Lernen einordnen zu können. Da die Haltung gegenüber und die Fähigkeiten im Umgang mit digitaler Technik in unserem Kollegium (wie vermutlich in den meisten anderen Kollegien auch) eine gewaltige Spannbreite aufweist, erscheint mir das wichtig, damit dieser Text nicht als stellvertretend für alle Kolleginnen und Kollegen gelesen wird.
Um also endlich auf das eigentliche Thema dieses Textes zu kommen: Natürlich erweitert die Digitalisierung gerade in der jetzigen Zeit das Repertoire an unterrichtlichen und kommunikativen Möglichkeiten enorm. (Wenn ich mir vorstelle, Corona wäre zu meiner Schulzeit ausgebrochen…) An unserer Schule wurden dazu zwei Plattformen eingeführt, die über Office365 nutzbar sind: OneNote und Teams. Zu beiden wurden interne Schulungen angeboten, durchgeführt von kompetenten Kollegen, deren Beziehung zu digitalen Neuerungen von deutlich mehr Liebe geprägt ist als meine. Vielen Dank nochmal dafür!
Meine Erfahrungen mit beiden Plattformen fallen unterschiedlich aus. Von OneNote war ich zunächst durchaus begeistert. Die Ordner-Struktur, die Möglichkeit, Schülern einzeln zu schreiben, aber auch gemeinsam zu kommunizieren – das alles sah wohl durchdacht und strukturiert aus. Und eigentlich gefallen mir Idee und Aufbau auch nach wie vor sehr gut. Den Praxistext hat OneNote aber bei mir nicht bestanden. In meinem Deutsch-Lk hatte ich sehr schnell ein sogenanntes Kursnotizbuch angelegt, zudem sich auch alle Schülerinnen und Schüler Zutritt verschaffen konnten. In dieses Kursnotizbuch wurden von mir zunächst ein größerer Arbeitsauftrag und anschließend vor allem Materialien zur Abitur-Vorbereitung eingestellt.
So weit, so gut. Von den meisten Schülerinnen und Schülern wurde auch die erste Aufgabe hochgeladen und ich denke, über die Plattform wurde sich auch Zugriff auf die Materialien verschafft. Mit der Zeit zeigte sich aber, dass sich die Kommunikation immer stärker auf E-Mail und WhatsApp-Verkehr verlagerte. Warum? Die Kommunikation ist einfach unmittelbarer und schneller. Außerdem stört mich bei OneNote, dass es gefühlt immer eine Ewigkeit dauert, bis die einzelnen Seiten sich aufbauen, Probleme bei der Synchronisation zwischen meinem iPad, das ich bisweilen zum Arbeiten genutzt habe, und der Web-Version auf meinem Laptop gaben mir schließlich den Rest. Unterm Strich bestand der Mehrwert der Anwendung für mich nur in einer gewissen Übersichtlichkeit der zusammengestellten Materialien, hätte ich selbige per Mail verschickt, wie ich es im parallel laufenden Q2-Grundkurs getan habe, hätte es genauso gut funktioniert.
Auch von den Schülerinnen und Schülern meiner Klasse 9c bekam OneNote schlechte Noten, sodass wir beschlossen haben, darauf weitestgehend zu verzichten. Deutlich besser kommt das nach den Osterferien eingeführte Teams bei den Neunern an. Hiermit habe in den vergangenen beiden Wochen erste Gehversuche gemacht und muss sagen: Ja, hier ist ein echter Mehrwert vorhanden.
Dieser besteht vor allem in der Möglichkeit, auf sehr einfache Weise über die dort erstellte Gruppe Videokonferenzen abzuhalten und somit zu einer unmittelbaren Kommunikation mit den Schülerinnen und Schüler zu gelangen. Unmittelbar? Darauf komme ich gleich noch einmal zu sprechen. Auf diese Weise kam es dann tatsächlich zu einem WiederSEHEN – wenn denn die Kamera der Schüler eingeschaltet war. Mittlerweile bieten meine Kollegin Delia und ich jede Woche eine gemeinsame Sprechstunde an, außerdem jeweils einzeln noch eine Sprechstunde für unsere Fächer Mathe und Deutsch. Außerdem gibt es über Teams einen Klassenchat, den wir jetzt vor allem zur Kommunikation über das Klassenprojekt nutzen, das bis zum Sommer fertiggestellt sein soll.
Eine Unterrichtsstunde über Teams habe ich allerdings noch nicht durchgeführt. Je nachdem, wie die Präsenzzeiten ab der kommenden Woche ausfallen, würde ich mit meiner Klasse dann gerne einen Versuch unternehmen, da sich meine Deutsch-Sprechstunde als nicht wirklich produktiv herausgestellt hat. Allerdings bin ich hier etwas skeptisch. So schön die Möglichkeit der Videokonferenz auch ist, so deutlich hat sich bislang auch gezeigt, dass die Kommunikation mit der im realen Klassenraum kaum vergleichbar ist. Sie ist eben nicht unmittelbar.
Verzögerungen durch technische Schwierigkeiten (ja ja, das WLAN…), die Tatsache, dass nur immer wenige Köpfe zu sehen sind, die Unsicherheit der Schülerinnen und Schüler, was eigene Beiträge angeht – als dies gibt der Kommunikation in derart großen Gruppen etwas Künstliches. Vielleicht braucht diese neue Kommunikationssituation auch einfach ein wenig Übung. Viel lieber wäre es mir persönlich aber, die Schülerinnen und Schüler in kleineren Gruppen zumindest einmal die Woche „vor Ort“ im Schulgebäude begrüßen zu können.
Insgesamt denke ich, dass für das „digitale Lernen auf Distanz“ insbesondere eine Sache wichtig ist: eine klare und einfache Struktur. Die Regelung, von Woche zu Woche zu planen und die Schülerinnen und Schüler jeweils am Beginn der Woche mit Aufgaben und Arbeitsaufträgen zu versorgen, hat sich bislang aus meiner Sicht gut bewährt. Ähnlich einfach und klar sollten die ergänzenden digitalen Angebote strukturiert sein.
Zum Abschluss noch meine positivste Digital-Erfahrung: Das Begleitseminar für die Referendare klappt per Videokonferenz ausgezeichnet! In diesem, positiven Sinne,
Martin Glimm